NEXUS – Yuval Noah Harari
Ich muss zwei Dinge vorweg schicken, bevor wir über das Buch „NEXUS“ sprechen können.
Das Erste ist, dass ich ein kleiner Fanboy von Harari bin. Deswegen hatte ich mich auch sehr gefreut, als ich ihm auf der Buchmesse in Frankfurt live und in Farbe sehen konnte.
Und natürlich ging es dabei auch um sein neues Buch „NEXUS„.
Das Zweite ist, dass ich KI gegenüber sehr kritisch bin. Obwohl seit den späten 80ern in der IT tief verwurzelt und obwohl ich schon viele sinnvolle und sinnlose Trends habe kommen und gehen sehen, beunruhigt mich KI. Und das Buch hat das kein bisschen besser gemacht.
NEXUS will sich der Geschichte der menschlichen Informationsnetzwerke widmen, „v
„. Durchaus ein ambitionierter Ansatz.In den letzten 100 000 Jahren hat die Menschheit enorme Macht erlangt. Doch trotz all unserer Entdeckungen, Erfindungen und Eroberungen befinden wir uns heute in einer existenziellen Krise. Die Welt steht am Rande des ökologischen Zusammenbruchs. Zuhauf werden Falschinformationen verbreitet. Und wir stürzen uns kopfüber in das Zeitalter der künstlichen Intelligenz – ein neues Informationsnetzwerk, das uns auszulöschen droht. Wenn wir so klug sind, warum sind wir dann so selbstzerstörerisch?
»Nexus« zeigt, wie der Informationsfluss uns und unsere Welt geformt hat. Yuval Noah Harari nimmt uns mit von der Steinzeit und biblischen Zeiten über die frühneuzeitlichen Hexenverfolgungen, den Stalinismus und den Nationalsozialismus bis zum Wiederaufleben des Populismus in der heutigen Zeit. Dabei lenkt er unseren Blick auf die komplexe Beziehung zwischen Information und Wahrheit, Bürokratie und Mythologie, Weisheit und Macht. Er erkundet, wie verschiedene Gesellschaften und politische Systeme Informationen genutzt haben, um ihre Ziele zu erreichen – zum Guten wie zum Schlechten. Und er befasst sich mit den drängenden Entscheidungen, vor denen wir heute stehen, da nicht-menschliche Intelligenz unsere Existenz bedroht.
Informationen sind nicht der Rohstoff, aus dem die Wahrheit ist, aber auch nicht einfach nur eine Waffe. »Nexus« erkundet den hoffnungsvollen Mittelweg zwischen diesen Extremen und zeigt, wie sich unser gemeinsames Menschsein wiederentdecken lässt.
Bevor wir jedoch richtig in die Geschichte einsteigen, begegnet uns mit dem Milliardär André Theissen ein alter Bekannter aus „End of Reality„. Es scheint so, als würden die Vordenker unserer Zeit eine gemeinsame Abneigung gegen eine kleine Gruppe super-reicher Oligarchen entwickeln.
Dazu passt dann auch, dass das Buch von Harari sich selbst als Warnung vor Algorithmen sieht, die auch geeignet sein können, Diktaturen und dem Faschismus Vortrieb zu leisten. Was passiert, wenn eine totalitäre KI in China, wie sie rund um den Social Score entsteht, durchdreht? Welche Rolle spielt KI im Aufstieg von Q-Anon und den Querdenkern? Kann KI dem Populismus helfen, die Wahrheit auszuhöhlen? Und in dem Kontext, was ist eigentlich Wahrheit? Hier besteht schon eine gewisse Nähe zu End of Reality.
Harari belegt eindrucksvoll, auch am Beispiel von Social Media, dass es Wahrheit und Ordnung sind, die heute die eigentliche Rolle spielen. Und wie stark dabei der Glaube ist. Führt er über die Entstehung der heiligen Schriften der drei großen Weltreligionen in das Thema ein, geht er dann über zu Meta von Zuckerberg. Auch hier wieder die Anlehnung an End of Reality, auch wenn der Focus ein anderer ist: Ging es Taplin um die Frage nach der Steuerung der Aufmerksamkeit, zeigt Harari auf, wie schwer es wird, echtes und falsches Wissen von einander zu lösen.
Das bringt ihn schließlich auch zu dem eigentlich dominierenden Thema des Buches: KI
Damit verbunden sind eine Reihe von historischen Fragen, wie die Frage ob KI beherrschbar ist oder nicht. Und philosophische Fragen, wie viel Kontrolle wir an eine Maschine übertragen wollen.
Er ordnet das auch in demokratische und autoritäre Weltbilder ein und zeigt eindrucksvoll die Vor- und Nachteile, die sich abzeichnen. Dabei hebt er nicht nur den mahnenden Zeigefinger, viel mehr ist das Buch wie eine gute und spannende Vorlesung über Informationsökonomie.
Dabei gelingt es Harari, nahtlos aus dem „was ist“, zum Beispiel dem chinesischen Social Scoring, zu dem „was sein könnte“, zum Beispiel einer Wirtschaft, die komplett von Algorithmen, die nicht mehr zu durchschauen sind, gesteuert wird, zu wechseln
Für Kritiker, wie mich, sind viele seiner Rückschlüsse sehr beunruhigend. Weil ich gerne gelesen hätte, dass ich auf dem Holzweg bin. Wenn ich beispielsweise Bitcoin mit einer Religion vergleiche und dann lesen muss, wie stark tatsächlich die Ähnlichkeiten sind.
Ein Aspekt, den ich persönlich gar nicht auf dem Schirm hatte, ist der von Harari aufgezeichnete „Silicon Curtain“.
Seiner Meinung nach hat KI in zwischenstaatlichen Konflikten ein viel höheres Schadenspotential als zum Beispiel die Atombombe. Das verlangt seiner in Auffassung nach, dass sich Staaten mehr vertrauen müssen und sich selbst mehr beherrschen müssen. Eine leider eher unwahrscheinliche Entwicklung, da zwischen Russland und Europa, so wie China und den USA gerade eine neue Mauer entsteht. Nicht aus Stahl, sondern aus Technik:
So verbieten z. B. Länder den Export von IT-Technik für KI und Kommunikation in die jeweils andere Hälfte der Welt, was dazu führt, dass sich dort eigene Entwicklungen anbahnen. Nicht nur, was Software angeht. Sondern auch Hardware. Das kann in absehbarer Zeit dazu führen, dass unser aktuelles Informationsnetzwerk, das Internet, aus zwei oder vier Teilen besteht, die nicht mit einander kommunizieren können, weil sie nicht kompatibel sind. Das wird das Misstrauen aber leider verstärken.
Das trifft dann auf eine Welt, in der die Menschen wieder liebend gern Verschwörungen wie Q-Anon oder Querdenkern folgen und nicht bereit sind, die Energie aufzuwenden, Fiktion von Wahrheit zu unterscheiden. In eine solche Welt der Trumps und Putins fallen technische Entwicklungen, die sehr gut und sehr schlecht sein können.
In diese Welt der Verschwörung wächst aber auch eine zunehmende Skepsis gegenüber Verwaltungen und Behörden, Administration allgemein, hinein. Was wiederum zu einer sehr absurden Situation wird, da es gerade die Verwaltungen sind, die die Länder am Laufen halten und gemeinsam mit der Gesetzgebung die Rahmen schaffen und mit Leben füllen müssen, in denen wir uns bewegen.
Und genau dieser Administration kommt eine unglaublich wichtige Rolle zu, geht man davon aus, dass wir National und International Regeln finden müssen, wie mit KI umzugehen ist. Und wie wir mit den disruptiven Entwicklungen auf dem Arbeits-, dem Finanzmarkt, in der Politik und überall in unserem Leben umgehen werden. Politik und Verwaltungen müssen nicht nur Wege finden, Daten zu besteuern, sondern auch die gesellschaftlichen Folgen aufzufangen.
Niemand weiß, wie sich unsere Gesellschaft, unser Arbeitsmarkt, unsere Politik in den nächsten Jahren entwickeln wird. Wenn man aber von den geschichtlichen Entwicklungen der Sozialen- und Informationsnetze ausgeht, die Harari beschreibt, wird klar, dass Veränderungen schneller und härter über uns hereinbrechen werden. Wobei sich dann auch die Frage stellt, ob KI eher hilft, Krisen wie den Klimawandel anzugehen. Oder alles nur noch schlimmer macht.
Wie in seinen anderen Büchern auch, geht es Harari in Nexus in erster Linie darum, die vorhandenen Informationen zu sammeln, in einen historischen Kontext einzubetten und mögliche Zukunftsszenarien abzuleiten. Was daraus entsteht, ist ein Werk dass jede und jeder lesen sollte, die oder der entweder administrativ tätig ist, oder politisch aktiv.
Darüber hinaus sollten Menschen das Buch lesen, die wie ich nicht verstanden haben, wie eine Hexenverfolgung über Europa hereinbrechen konnte und wieso in den 2020er Jahren Menschen plötzlich ihre Kinder nicht mehr impfen lassen.
Somit ist das Buch im Fazit auch zu gleichen Teilen Mahnung wie Aufforderung. Es mahnt uns davor, moderne Informationsnetze und KI zu leicht zu nehmen. Es fordert uns zugleich aber auf, der Technik einen Rahmen zu geben, in dem sie der Menschheit von großem Nutzen sein kann.
Zum Ende des Jahres 24 für mich eines der besten Bücher, die in 2024 erschienen sind. Aber wie gesagt, ich bin auch ein Fanboy. Insofern würde ich Euch dringend raten, dass Buch zu kaufen. Es ist bei Amazon zur Zeit für 28€ als Hardcover erhältlich. Ebenso auf Audible für die üblichen 9,95€, wo ich es mir zusätzlich gekauft habe, weil es das perfekte Buch für lange Winterspaziergänge ist.
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