Mindf*ck – Dr. Zargota
Vor ein paar Tagen erreichte mich eine Mail mit dem komischen Absender „Dr. Zargota“. Er habe ein Buch veröffentlicht, ob ich das mal lesen und meine Meinung dazu schreiben würde.
Unter dem Namen findet man den YouTube-Channel „Dr. Zargota Creepypasta„, der gar nicht so klein ist und der sich im Wesentlichen um Horror-Geschichten dreht. Ich habe dann vorsichtshalber noch mal nachgefragt, ob er wirklich möchte, dass ich das Buch rezensiere, weil mir sehr oft sehr viel mehr Bücher nicht gefallen, als das sie mir gefallen. Und Kudos an den Autor, er wollte.
Und so hielt ich ein paar Tage später das Buch „Mindf*ck„ in den Händen:
Synapsenkitzel, Gänsehaut und Mindf*ck: Dr. Zargota vertont für seinen Podcast „Creepypasta zum Einschlafen“ die abgefahrensten Horrorgeschichten, die im Internet kursieren. Seit vielen Jahren nebenher als Autor tätig, streut der Connaisseur des Unheimlichen aber auch Stories aus eigener Feder ein. In der vorliegenden Horror-Anthologie sind diese nun verschriftlicht.
„Fesselnd, schwarzhumorig und stellenweise wahnwitzig brutal.“
Dr. Zargotas Figuren drohen immer wieder die Grenzen ihrer Realität zu verschwimmen. Dadurch driften sie in alternative, abgründige Formen des Bewusstseins ab. So versucht in der Geschichte 3 vs. Psychiatry eine perfide Produktionsfirma die Kandidaten der gleichnamigen Reality-Survival-Show durch künstlich gesetzte Trigger in den Wahnsinn zu treiben. So wird eine Nachtschicht im Nanu-Nana zum schauderhaften Trip zwischen Psychose und paranormaler Begegnung. So nimmt ein Schlauchboot-Ausflug vier sturzbesoffener Teenager, die im Hoheitsgebiet einer zerrütteten Bauernfamilie zelten, eine blutige Wendung …
Dabei eignet sich das Format der Kurzgeschichte perfekt, um die unterschiedlichen Spielarten des Horrors abzubilden. Obgleich eine unvermeidliche Wahrheit alle Geschichten eint: Der Mindf*ck ist real.
Das Erste, was mir aufgefallen ist: Gleichwohl es das erste und einzigen Buch zu sein scheint, dass „Eugen Zargota“ geschrieben hat, schreibt er auf der Rückseite des Buches ähnlich wie bei der obigen Inhaltsangabe auf Amazon in der Dritten Person. Fast so als solle der Eindruck entstehen, dass jemand anderes, vielleicht eine gewisse Autorität so über ihn und seine Geschichten geurteilt hat. Das kann man jetzt gesundes Selbstbewusstsein nennen oder man sagt, „Klappern gehört zum Handwerk“. Und man kann ja schlecht schreibe, „huhu, hier mein Erstlingswerk, bitte habt es lieb!“
Wenn ich das richtig sehe, ist das Buch als Print on Demand (PoD) im „Eigenverlag“ bei Amazon erschienen.
Das Buch enthält dann 10, wenn man es genau nimmt 9, eigenständige Geschichten, die mehr oder weniger lang sind und inhaltlich wie sprachlich teilweise von einander abweichen. Daher möchte ich mich auf die Gemeinsamkeiten konzentrieren, damit ich nicht auf die einzelnen Geschichten eingehe und vielleicht Spoiler schreibe. Das unterscheidet diese Rezension dann aber auch von anderen, weil es mir gar nicht so sehr um die Geschichten geht, als mehr um die Frage des wie, wer, was.
(Wieso, weshalb, warum.)
Das was mir als allererstes auffällt ist, dass das Buch dringend ein Lektorat gebraucht hätte. Ich kann mir vorstellen, dass man als junger Autor (im Sinne von Neu, nicht Lebensalter) ungern dafür viel Geld ausgeben will, wenn man schon den Weg geht, sein Buch per PoD bei Amazon anzubieten. Auf der anderen Seite droht aber dann das zu passieren, was hier passiert ist: aufmerksame Leser*innen stolpern ab der ersten Geschichte über zahlreiche sprachliche Fehler. Seien es Komma an der falschen Stelle oder Fipptehler, Fehler die auffallen und daher stören. Vor allem, wenn sie in einer gewissen Menge auftreten, wie das hier der Fall ist. Recht deutlich ist, dass die vorliegenden Fehler solche sind, die Word in seiner Rechtschreibkorrektur nicht erkennen würde. Also zum Beispiel „schieß“ statt „scheiß“, fehlende Worte oder wenn am Satzanfang die gleichen Worte wie am Satzende stehen. Das ist also kein Problem mangelnder Sorgfalt:
Wer lange Texte schreibt weiß, dass man irgendwann liest, was man glaubt geschrieben zu haben. Aber nicht was man wirklich getippt hat. Ich kenne das selbst nur zu gut. Insofern hätte sich das Geld für ein Lektorat oder ein Fresskorb für eine oder einen guten Korrekturleser*in gelohnt.
Was die Geschichten angeht habe ich den Eindruck, hier einen Autor vor mir zu haben, der seinen eigenen Stil noch nicht gefunden hat. Und dem es schwer fällt den Unterschied zwischen Horror den man in Filmen sieht oder in Geschichten hört auf Bücher zu übertragen. Wenn ich zum Beispiel in einem Film eine gut geschnittene Szene habe, in der eine Schublade geöffnet wird, die voller Blut ist, kann das als Schockeffekt gut durchdringen. Mache ich das sprachlich, funktioniert das vielleicht auch noch. Aber geschrieben und zum Lesen? „Als er das klemmende Schubfach einer alten Registrierkasse aufschnippen lässt, schwappt ihm ein ganzer Schwall Blut entgegen(…)“ funktioniert in einem Buch einfach nicht: Wir lesen zu langsam, als das ein Schock entstünde.
Das wirkt sich auch auf die Geschichten insgesamt aus: Teilweise wird versucht, mit blutigen, wortreichen Bildern, darüber hinweg zu täuschen, dass es nicht gelingt, beim Leser eine „innere Anspannung“ entstehen zu lassen.
Das liegt nicht an den Ideen, die den Geschichten zu Grunde liegen. Die sind teils recht originell und haben durchaus Witz. Es liegt daran, dass wir Wort für Wort lesen und die Sätze im Kopf vervollständigen. Ich kann also geschrieben nicht wirklich mit Jumpscare arbeiten. An der Stelle würde ich mir wünschen, dass „Dr. Zargota“ ein wenig an seinem Schreibstil arbeitet und versucht, für sich einen Weg zu finden, die Bilder die er im Kopf hat, so zu Papier zu bringen, dass die Umwandlung zwischen den Medienformen auch funktioniert.
Was die Ausdrucksweise angeht, also die Art wie die Geschichten formuliert sind, hat der Autor offensichtlich die Probierphase noch nicht verlassen. Das ist nicht schlimm, warum soll man sich nicht ausprobieren und testen, was Leserinnen und Leser am Liebsten mögen. Es ist nur dann problematisch wenn man beim Lesen immer wieder sich selbst die Frage stellt, ob man X nicht besser als Y formuliert hätte. Das mag eine Frage des eigenen Wortschatzes und der Erfahrung sein. Ich würde mir aber wünschen, dass „Dr. Zargota“ hier einen gleichmäßigeren Stil findet, der vielleicht auch mehr sprachliche Komplexität mit sich bringt.
Das macht das Buch jetzt nicht schlecht. Denn man muss zu Gute halten, dass sich „Dr. Zargota“ erstens getraut hat, es zu schreiben. Was schon mehr ist, als die meisten Menschen je machen werden. Und das er dann aktiv nach Rückmeldungen wie dieser hier fragt, die auch kritisch sein dürfen. Daran wächst man und wenn man die ersten Geschichten von King oder Fitzek mit dem vergleicht was sie heute schreiben: Jede Autorin, jeder Autor macht eine mehr oder weniger Steile Entwicklungskurve durch.
Und ich glaube auch, dass es viele Menschen gibt, denen das Format der kurzen, auf den Punkt kommenden Horrorgeschichte gefällt. Was gleichzeitig den Druck nimmt, eine Story und Charaktere über hunderte Seiten planen und entstehen lassen zu müssen.
Üblicher Weise sage ich an dieser Stelle dann immer, ob ich denke das Ihr ein Buch kaufen solltet oder nicht. Hier würde ich Euch sagen, dass Ihr es kaufen solltet. Und dann nach dem Lesen der Bitte auf der letzten Seite folgen mögt, dem Autor eine ehrliche Rückmeldung zu geben.
Denn erstens wünsche ich jeder neuen deutschen Autorin und jedem neuen deutschen Autor, die und der sich in die Hölle des Selfmarketing begibt, erfolgreich zu sein und ich würde mich freuen, wenn ein paar Euro Gewinn in die Kasse des Autor fließen.
Zum Zweiten aber auch, weil ich glaube, dass bei „Dr. Zargota“ noch viel Potential vorhanden ist. Und meine Hoffnung wäre, dass Eure Käufe sein Ansporn sein könnten, weiter zu schreiben, weiter an sich zu arbeiten, weiter zu publizieren.
Nur eine Bitte hätte ich an den Autor: Nicht jeder Charakter muss ein YouTuber sein 😉
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