Carrie

Ich habe vor einigen Tagen mal meine Bücherregale betrachtet und überlegt, dass ich eigentlich mal die Bücher von King neu lesen könnte. Irgendwann hatte ich alle mal gelesen und aktuell versuche ich die Lücken im Regal zu füllen – weil einige Bücher aus der Bücherei waren.

Und wie liest man einen solchen Berg am Besten? Ich hab mir überlegt, das immer im Wechsel mit einem anderen Buch zu machen und in chronologischer Reihenfolge. Und das erste Buch ist der Roman „Carrie“ von Ende der 70er Jahre. (Die noch älteren Romane hat er später als Richard Bachmann veröffentlicht.)

Carrie war schon immer anders. Wegen ihrer unbeholfenen Art ist sie in der Schule eine Außenseiterin und wird gnadenlos gehänselt. Zu Hause leidet sie unter dem religiösen Fanatismus ihrer Mutter. Nur ein einziges Mal fühlt sich Carrie so wie alle anderen Mädchen: Als sie zum Schulball eingeladen wird. Doch der Abend endet nach einem grausamen Streich in einer Katastrophe. Denn Carrie ist beseelt von einer unheimlichen Gabe. Einer Gabe, die sie ein Inferno entfesseln lässt, gegen das die Hölle wie ein lieblicher Garten Eden aussieht …

Ich habe neulich darüber gesprochen, dass King nicht immer Monster in seinen Büchern hat. Und ich das mag. Als Beispiel habe ich Carrie angeführt.

Aber, so der Einwand: Ist denn nicht Carrie das Monster?

Und wenn man den Klappentext liest, kann durchaus der Eindruck entstehen. Und ich spoilere nicht zu viel (weil es schon früh im Buch angerissen wird), dass Carrie letztlich den Tod vieler Menschen zu verantworten hat.

Aber das „Inferno(…), gegen das die Hölle wie ein lieblicher Garden Eden aussieht…“ ist ja nicht Ursache, sondern Ergebnis. Und wenn man das Buch, dass ja Ende der 70er spielt, liest, fällt einem auf, dass es einen tatsächlich immer noch aktuellen Bezug hat: Die gesellschaftliche Ausgrenzung, das Mobbing von Menschen, die nicht in den Durchschnitt zu passen gehören.

Denn auf dem Weg zu dem Finale aus Leid und Tod muss die Leserin oder der Leser durch eine eigene Hölle. Und sich fragen, ob man selbst in seiner Jugend zu einer der beiden Gruppen gehört hat, die hier im Wechselspiel stehen. War man Außenseiter, dem Hohn und Spott anderer ausgesetzt oder war man Mobber und hat den Außenseiter fertig gemacht?

Carrie ist nicht der Albtraum, sondern der Wunsch vieler Menschen, die unter dem Druck der Gesellschaft leiden. Sie verkörpert den Wunsch nach Rache, der meist nicht in Erfüllung geht.

Im Epilog geht es schließlich auch darum, dass King in seinen Büchern oft auch (eigene) Ängste verarbeitet. Und es müssen am Ende ja nicht übernatürliche Kräfte sein, die ein gemobbtes Kind ausrasten und Leid verursachen lassen. Aber am Ende des Buches ist trotzdem durch jede Leserin und jeden Leser die Frage zu beantworten: Ist Carrie ein Monster oder das Ergebnis einer Gesellschaft, die sie zu dem gemacht hat, was sie wurde?

Ich mag das Buch. Sehr. Weil es eben ein echter „King“ ist in der Form, als das das Monster nicht 8 Beine, 8 Augen und Giftzähne haben  muss. Weil das Monster auch wir sein können. Und meistens sind.

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