Aspergers Schüler
Manchmal muss man, also in dem Fall ich, ja auch zu seinem Glück gezwungen werden. Wobei das nur eine Übertreibung dafür ist, dass es manchmal ein bisschen Druck braucht, mir neue Autor*innen nahezubringen und mich an Bücher heran zu führen, die nicht auf meinem Schirm waren.
So wie „Aspergers Schüler„ von Laura Baldini:
Beruhend auf wahren Ereignissen, erzählt SPIEGEL-Bestseller-Autorin Laura Baldini von einem berühmten Kinderarzt, seinen kleinen Patienten und einer mutigen Krankenschwester, die alles für die Kinder riskiert.
Als die junge Psychologin Sarah 1986 zu Forschungszwecken nach Wien zieht, kommt sie der erschütternden Geschichte einer Klinik während der Nazi-Zeit auf die Spur:
Wien, 1926: Erich ist acht Jahre alt, als er in die Uniklinik zu Dr. Hans Asperger kommt. Erich sieht die Welt nicht wie andere Kinder. Er kann hochkomplexe mathematische Probleme lösen, aber es fällt ihm schwer, seine Gefühle zu zeigen. Nach schrecklichen Jahren in einer Pflegefamilie wird er hier ganz anders behandelt. Man hört ihm zu, man versteht ihn. Die Krankenschwester Viktorine schließt Aspergers kleinen Schüler ganz besonders ins Herz. Für sie bricht eine Welt zusammen, als die bahnbrechende Arbeit ihrer Abteilung vom NS-Regime vereinnahmt wird. Während Asperger sich mit den neuen Machthabern arrangiert, ist Viktorine entsetzt, als sie erfährt, was an der Klinik am Spiegelgrund vor sich geht. Für Erich wird es lebensgefährlich.
Bewegender Roman über den Arzt, der den Autismus entdeckte: Für alle Fans von Susanne Abels Gretchen-Romanen, Geschichten mit wahrem Hintergrund und Tatsachenromanen.
Genial, gefeiert, umstritten: Dr. Hans Asperger (1906-1980) war ein österreichischer Kinderarzt und ab 1932 Leiter der heilpädagogischen Abteilung der Uniklinik in Wien. Dort führte man die Behandlung von psychisch kranken Kindern in eine völlig neue Richtung und begegnete ihnen mit Respekt. Als Erster beschrieb Hans Asperger Autismus und das Asperger-Syndrom, das nach ihm benannt wurde. 1938 musste ein großer Teil seiner Mitarbeiter vor den Nazis fliehen. Asperger selbst blieb und spielte eine bis heute fragwürdige Rolle. (Bild und Text: Amazon)
Das Buch hätte auf meinem Schirm erscheinen können, weil es sich mit Autismus und Asperger auseinander setzt. Es ist nicht auf meinem Schirm erschienen, weil ich in dem Bereich eigentlich eher Fachbücher als Romane lese. Was es dem Buch schwer macht ist, dass es ein Roman auf „wahren Begebenheiten“ ist und erst im Nachwort erklärt die Autorin, was davon Wahrheit und was Fiktion ist.
Erfreulicher Weise hält sie sich aber weitestgehend an die historischen Fakten und widersetzt sich der Versuchung, ein reißerisches Buch zu schreiben. Statt dessen versucht sie durch die Augen einer jungen Akademikerin sich eines Themas zu nähern, dass viele Fallen und Stolpersteine bereit hält. Die sie so relativ gut umschiffen kann.
Nicht meines ist dagegen die drei bis viereckige Liebesgeschichte um die Protagonistin, den verheirateten Prof, den süßen Journalisten (der witziger Weise meinen Namen trägt) und den etwas schmierigen Kommilitonen. Auch wenn es wichtige Menschen in meinem Leben gibt die mir immer wieder erklären, dass ein Buch, bzw. ein Roman, so etwas braucht, weil es sonst außer mir keiner liest, bin ich trotzdem skeptisch.
Denn meiner Meinung nach ist die Lovestory mit den absolut erwartbaren Wendungen eher das, was langweilig ist. Aber wer bin ich, mich mit Euch darüber zu streiten.
Herzvorsehbar ist auch das Ende der eigentlichen Geschichte in der Geschichte. Was sie allerdings nicht schlecht macht, denn durch das Fehlen eines reißerischen Untertons erwarte ich ja auch eigentlich keine alles verändernde Wendung am Ende.
Im Fazit war die Geschichte, die ich als Hörbuch genossen habe, durchaus hörenswert und ist wohl auch lesenswert. Insbesondere dann, wenn man sich für den Umgang mit behinderten Menschen im Dritten Reich, aber auch mit der Frage wie wir zu den heutigen Erkenntnissen über Autismus gekommen sind.
An der Stelle halte ich das Buch, Roman hin oder her, auch für wichtig. So wichtig, dass ich es in einer Geschichte an der ich selber gerade schreibe, auch mit eingebaut habe. Denn Baldini gelingt es eher beiläufig die Schrecken der Nazi-Herrschaft und die Willkür ihrer Tötungsmaschine zu beschreiben. Und auch die Ignoranz und sinnlose Hoffnung, dass der in Europa aufstrebende Hitler schon nicht so schlimm sei.
Was wiederum am Ende des Buches nachdenklich macht: Verhalten wir uns nicht mit der noAFD nicht genauso, wie sich die Menschen damals beim Aufstieg der NSDAP verhielten? Und sollten die Deportationspläne, von denen wir heute schon wieder hören, nicht Angst machen?
Vielleicht hat Baldini damit auch ein Buch geschrieben, dass Leser*innen klar macht, wie gefährlich es ist, das Erstarken rechter Politik zu ignorieren oder schön zu reden. Denn was klar ist:
Die Parallelen zu der Zeit, über die sie schreibt mit dem Heute, sollten und müssen wir uns alle im Klaren sein. Bevor es noch einmal zu spät ist.
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